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Technologien

24. März 2021 | 8 Minuten Lesezeit

Zolltarifnummern anhand von Bildern ermitteln – Science-Fiction oder bald Wirklichkeit?

Stell dir vor, du lädst ein Bild ins System hoch, welches analysiert, um welchen Artikel es sich handelt, und ordnet diesem automatisch die entsprechende Zolltarifnummer zu. Klingt komfortabel, oder? Eine automatische Bilderkennung würde den Zollbereich komplett revolutionieren. Doch wie kann das funktionieren, und wie weit sind wir noch von der Umsetzung entfernt?

Zolltarifnummern anhand von Bildern zuordnen – was passiert technisch im Hintergrund?

Ziel der Bilderkennung ist es, das vorliegende Bild mittels Machine Learning richtig in den Zolltarif einzureihen.

Unter Machine Learning versteht man das eigenständige Lernen eines Computersystems. Durch gewisse Vorgaben des Menschen soll ein Computersystem also in die Lage versetzt werden, sich eigenes Wissen anzueignen.

Das System muss zuerst trainiert werden

Um die Bilderkennung nutzen zu können, benötigt man eine große Menge an Daten. Diese müssen die Artikel, die eingereiht werden sollen, möglichst gut darstellen. Zu jedem Bild muss die passende Zolltarifnummer vorhanden sein. Diese Daten nennt man Trainingsdaten. Damit kann ein neuronales Netz aufgebaut werden. Dieses Netz besteht aus mehreren Schichten, die alle unterschiedliche Aufgaben haben. Jede Schicht ist mit ihrer Vorgängerschicht und ihrer Nachfolgeschicht verknüpft. Dadurch können Informationen weitergegeben werden.

Es gibt verschiedene Typen von Schichten. Eine Schicht transformiert beispielsweise das Bild von einer zweidimensionalen auf eine eindimensionale Darstellung. Die letzte Schicht enthält eine Auflistung aller möglichen Zolltarifnummern. Dort kommen sämtliche Informationen der vorherigen Schichten an, und für jede Zolltarifnummer wird die Wahrscheinlichkeit gespeichert, dass es die richtige Nummer ist. Ausgegeben wird dann die Zolltarifnummer mit der höchsten Wahrscheinlichkeit.

Das neuronale Netz lernt mit Bildern und Zolltarifnummern

Gibt man nun die vorhandenen Bilder und die passenden Zolltarifnummern in das Netz ein, fängt dieses an zu „lernen“. Die einzelnen Bilder werden analysiert und Zusammenhänge zwischen Bildern der Produkte hergestellt, die die gleiche Zolltarifnummer haben. Haben alle Daten das Netz durchlaufen, erhält man ein trainiertes neuronales Netz. Abhängig von der vorhandenen Bildmenge dauert dies einige Minuten oder Stunden bis hin zu mehreren Tagen.

Um zu überprüfen, wie gut das Netz arbeitet, benötigt man eine weitere Menge an Daten, nämlich die Testdaten. Diese Daten sind dem Netz völlig fremd. Auch sie beinhalten ein Bild des Produkts und die zugehörige Zolltarifnummer. Die Daten durchlaufen ebenfalls alle das Netz. Dabei wird analysiert, wie gut die Vorhersagen des Netzes sind. Dazu wird die vorhergesagte Zolltarifnummer mit der richtigen Zolltarifnummer verglichen. Je öfter diese beiden Nummern übereinstimmen, desto besser ist das Netz. Es ist sehr wichtig, dass zum Testen unbekannte Daten verwendet werden. Denn erst dann wird klar, ob das Netz wirklich die Zusammenhänge zwischen dem Aufbau des Bildes und der Zolltarifnummer gelernt oder einfach nur die Trainingsdaten auswendig gelernt hat. Gemessen wird dies meist an der Accuracy, also an der Genauigkeit der Vorhersagen. Ist diese hoch genug, kann das Netz verwendet werden.

Das Netz erkennt nun Bilder und ordnet diesen die richtige Zolltarifnummer zu

In dieses trainierte Netz können nun Bilder gegeben werden, denen noch keine Zolltarifnummer zugeordnet wurde. Durch das Wissen, das sich das Netz mit den vielen Beispielbildern angeeignet hat, kann dem neuen Bild im Idealfall die richtige Zolltarifnummer zugeordnet werden.

Wie realistisch ist die Anwendung der Bilderkennung für die Ermittlung der Zolltarifnummer?

Ein Problem könnte die Vielzahl der Zolltarifnummern darstellen. Denn das Netz muss zwischen enorm vielen Zolltarifnummern entscheiden. Dadurch, dass die Zolltarifnummern so speziell sind und auf kleinste Details bei den Produkten geachtet werden muss, die auf Bildern eventuell gar nicht erkennbar sind, kann es zu Ungenauigkeiten in der Vorhersage kommen.
Beispielsweise wird ein betender Engel als Weihnachtsartikel eingereiht, während ein nicht betender Engel als Ziergegenstand klassifiziert wird. Solche Details zu erkennen und richtig zu interpretieren stellt für das System eine Herausforderung dar.

Eine weitere Hürde könnte auch die ungleiche Distribution der Bilder in der VZTA-Datenbank darstellen. Während für einige Zolltarifnummern mehrere tausend Bilder in der Datenbank vorliegen, finden sich für andere Artikel nur vereinzelte Bilder wieder. Dies könnte den Lernprozess des Systems und somit die Genauigkeit der Bilderkennung beeinträchtigen.

Allerdings schaut unsere Bilderkennungsexpertin Lena Ugele positiv in die Zukunft. Sie arbeitet nämlich gerade in Kooperation mit ihrer Hochschule daran, das Projekt bei Grenzlotsen umzusetzen. Lena sieht großes Potenzial in der neuen Technologie und kann sich in näherer Zukunft eine Hybridmethode vorstellen, bei der das System jedem Bild automatisch mehrere Stellen der Zolltarifnummer zuordnet und das Ergebnis anschließend manuell auf Richtigkeit überprüft wird.

Wie gut die Anwendung von Bilderkennung zur Ermittlung der Zolltarifnummer funktioniert, wird sich in der Zukunft zeigen – wir bleiben dran und halten dich über die neuen Entwicklungen auf dem Laufenden.


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